Es gilt der Grundsatz, dass die Deliktsordnung nicht von der Vertragsordnung verdrängt wird und dass grundsätzlich jede Haftung ihren eigenen Regeln folgt. Und doch ist eine Abgrenzung erforderlich, die der BGH (BGH, Urteil vom 23. Februar 2021 – VI ZR 21/20 –) wie folgt vornimmt: Deliktische Pflichten haben nicht - wie etwa die Gewährleistungspflichten - zum Inhalt, auf den Erwerb einer mangelfreien Sache gerichtete Vertragserwartungen, insbesondere Nutzungs- und Werterwartungen, zu schützen (Nutzungs- und Äquivalenzinteresse). Sie sind vielmehr auf das Interesse gerichtet, das der Rechtsverkehr daran hat, durch die in Verkehr gegebene Sache nicht in Eigentum oder Besitz verletzt zu werden (Integritätsinteresse). Deckt sich der geltend gemachte Schaden mit dem Unwert, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit von Anfang an schon bei ihrem Erwerb anhaftete, dann ist er allein auf enttäuschte Vertragserwartungen zurückzuführen, und es ist insoweit für deliktische Schadensersatzansprüche kein Raum. Wo dagegen der Schaden nicht mit der im Mangel verkörperten Entwertung der Sache für das Äquivalenz- und Nutzungsinteresse "stoffgleich" ist, kann sich im Schaden (auch) das verletzte Integritätsinteresse des Eigentümers oder Besitzers niederschlagen; dieser kann dann grundsätzlich auch von der deliktischen Haftung aufgefangen werden, selbst wenn mit dieser vertragliches Gewährleistungs- oder Ersatzrecht konkurriert.
Was heißt das konkret: Wurde – wie im Fall des BGH – beim Hausbau versehentlich eine falsche Wasserhahnverlängerung eingebaut, dann können die Kosten des fehlerhaften Wasserhahns nur nach Werkvertragsrecht geltend gemacht werden, jedoch die meist sehr viel höheren Kosten des Wasserschadens am Gebäude auch nach Deliktsrecht.
Dass es im Schadensfall also mehrere Anspruchsgrundlagen geben kann, sollten sich Bauherren und Handwerker merken.
Rechtsanwalt Dr. Torsten Schmidt
Rechtsanwälte Dr. Schmidt & Günther, Ringstraße 18-20, 04703 Leisnig
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